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Ein neuer Tag

Heute ist mal wieder einer dieser Tage, an denen ich platzen könnte, jedoch nicht vor Freude. Was passiert ist? Wie soll ich darüber berichten, wenn mein Mund durch diesen „Maulkorb“ geknebelt wird? Noch zehn Wochen und drei Tage ...

Katapultiere ich mich gedanklich in diese greifbare Zukunft, erscheint sie mir irreal. Nichts wird mehr so sein wie es jetzt (noch) ist und sich im Laufe der Zeit vertrauensvoll eingespielt hat.

Dieses Entsetzen darüber ist so intensiv ausgeprägt, dass sich in mir, was mein Leben betrifft, mittlerweile eine kaum geahnte Gleichgültigkeit ausbreitet. Es mag paradox klingen, aber nur durch dieses abgestumpfte Wahrnehmen, diesem extremen Desinteresse scheint mir eine Daseinsbewältigung überhaupt noch möglich, wenngleich diese verantwortungslose Existenzform mir außerordentlich gefährlich erscheint, weil plötzlich alles Absurde eine Möglichkeit erhält.

Hat die Schwere des Lebens etwas mit dem Alter zu tun? Was gibt den Menschen die Kraft weiterzumachen? Woher nehmen sie den Mut zu leben? Worin gründet sich Zuversicht? Und wo ist die Pforte, die der Leichtigkeit den Zugang gewährt? Ist sie verschüttet?

Was überwindet den Augenblick und zielt auf Beständigkeit?

Was für eine Woche!

Erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit ich manchmal an Selbstmord denke, besonders dann, wenn ich meine, jetzt überhaupt keinen Ausweg mehr zu kennen. In solchen Augenblicken frage ich mich dann auch, ob es für irgendjemand tatsächlich ein Verlust wäre, wenn ausgerechnet ICH nicht mehr hier wäre. Mit dem eben erwähnten Verlust meine ich mehr als nur das ungewohnte Gefühl, dass da plötzlich jemand Bekanntes/Vertrautes aus seinem persönlichen Umfeld fehlt. Wer wäre wirklich erschüttert, im Mark getroffen? Gäbe es jemanden, dem dieser Umstand meines Ablebens den Boden unter den Füßen wegzöge?

Es gibt so Vieles, mit dem ich nicht klarkomme, allem voran mit meinem Alter, obgleich ich mir fast sicher bin, dass die, die diese Zeilen lesen und älter sind, sich denken werden, was ich überhaupt will, schließlich bin ich aus deren Sicht ja noch jung. So zumindest geht es mir, wenn ich Beiträge von jüngeren Bloggern lese, die gleichermaßen ein Problem mit ihrem „fortgeschrittenen Alter“, von dem ich wünschte, mich noch selbst an diesem Punkt der Lebensskala zu befinden, haben.

Ich kann nicht genau sagen warum, aber irgendwie habe ich das Gefühl, mein Leben deshalb versäumt zu haben, weil ich damals nicht die richtigen Weichen – eigentlich ja gar keine – gestellt habe, was aus heutiger Sicht leider auch nicht mehr korrigierbar ist. Für das, was ich bisher erreicht habe, bin ich mindestens zehn Jahre zu alt. Oder andersherum: Ich müsste mindestens zehn Jahre jünger sein, um mit dem, was ich erreicht habe und der Art wie ich lebe, in die Norm zu passen, was nicht heißen soll, dass die Norm mein angestrebtes Ziel ist. Eigentlich eher im Gegenteil, wobei ich mich nicht krampfhaft dagegen zu wehren versuche. In einigen wenigen Belangen, wie dem des beruflichen Aspekts, erstrebe ich aber doch die Norm, weil ich glaube, dass sich daran die eigene Zukunft misst.

Was nutzen mir meine beiden abgeschlossenen Studiengänge in diesem hohen Alter ohne dazu gehörige praktische Erfahrung, wenn ich zudem zu keinem Zeitpunkt ein Auslandssemester praktiziert habe? Nichts! Der Markt ist überschwämmt mit jüngeren Bewerbern, ganz frischen, unverbrauchten und hoch motivierten Zöglingen der Universität, die das Erlernte auch noch eins zu eins umzusetzen wissen, während mir meine einstigen Kenntnisse von der Hochschule völlig abhanden gekommen zu sein scheinen.

Sterben gehört zum Alltag. Davon abgesehen gibt es zahllose, ja Millionen anderer Menschen. Menschen, die um ihr Leben kämpfen, weil sie leben wollen, während mir das meinige oftmals völlig gleichgültig ist, weil es mir schon so verlebt vorkommt, so als hätte es eine Richtung angenommen, die nicht mehr änderbar ist, wie eine dieser Murmeln, die man auf ein Kinderspielzeug setzt, das ein bisschen einer Achterbahn gleicht, wobei deren Weg, wenn man sie mal losgelassen hat, unveränderlich ist: oben aufgesetzt gleitet die Kugel auf ihrer vorherbestimmten Bahn nach unten. Nahezu identisch empfinde ich mein Leben. Ich kann mich – wie die Murmel – zwar noch ein bisschen um mich selbst drehen, vielleicht auch noch ein wenig nach links oder rechts wanken (bis an die Grenzen der Fuge, in der die Kugel rollt), doch den Verlauf der Bahn, auf dem es keine Abzweigungen gibt, nicht ändern.

Vorgestern hatten wir Volotag. An diesem Tag, für gewöhnlich einmal im Monat, kommen alle Volontäre zusammen, um mehr über ein bestimmtes Thema zu erfahren. Unser Thema am Mittwoch hieß Insolvenz. Nachmittags besuchten wir eine Gesellschaft, die sich unter anderem mit Schuldner- und Privatinsolvenz beschäftigt, wobei mir in diesem Zusammenhang ein kleines Wort haften blieb: VERZICHT!

Jene, die sich überschulden und an einen Punkt kommen, an dem es finanziell nicht mehr weitergeht, müssen tatsächlich Verzicht üben, um es mal ganz kompakt zu formulieren, doch wo verzichtet der (im weltweiten Vergleich betrachtende) wohlhabende deutsche Durchschnittsbürger?

„Kaufen, kaufen, ... was ist egal“, lautet eine Zeile eines Musikstücks, die ich jetzt nicht mehr zuzuordnen weiß, die mir aber ein bekanntes Phänomen aus meinem Umfeld widerspiegelt. Dieses Verschwendertum – wahrscheinlich kann ich mich selbst noch nicht einmal davon ausnehmen - ist mit zuwider. Wieso gelingt es uns nicht, die Zufriedenheit aus weniger zu schöpfen? Liegt es daran, weil wir bei der Maslowschen Bedürfnispyramide inzwischen die essentiellen Stufen übersprungen haben? Manchmal wünschte ich, auch wenn sich das jetzt sicherlich gemein und unsozial anhören mag, dass manche, die es meinem subjektiven Empfinden nach wirklich übertreiben, alles bis auf die Erfüllung der körperlichen Grundbedürfnisse, Sicherheit, soziale Beziehungen (kurz: die ersten drei Stufen der maslowschen Bedürfnispyramide) genommen wird, zumindest für einen überschaubaren Zeitraum, wobei das diese Personen aber im Vorfeld nicht wissen sollten, weil sie sonst ihr Verhalten bzw. ihre Sichtweise sicherlich nicht ändern würden. Natürlich ist mir bewusst, dass ich mein Empfinden nicht über das anderer stellen darf oder mein Weltverständnis als DAS herausstellen darf – und doch wünschte ich mir manchmal einfach einen ein bisschen mehr nach innen gerichteten Blick jedes einzelnen auf diesem doch sehr verschwenderisch lebenden europäischen Kontinent, auf dem Güter oftmals mehr Bedeutung haben als ein menschliches Miteinander..

Seltsam. Früher waren die, die Kinder hatten, für mich automatisch erwachsen. Aus heutiger Sicht hat sich das völlig ins Gegenteil verkehrt, denn heute, so erscheint es mir zumindest, haben jene, die ich früher als „noch nicht erwachsen“ betrachtete, also Kinder und Jugendliche, selbst Kinder.

Ich kann mich an dieses Bild einfach nicht gewöhnen. Es ist mir schon sehr häufig passiert, dass ich dachte, ein älteres Geschwisterteil sei mit seinem jüngeren unterwegs, erfuhr dann aber, dass es sich um ein Elternteil handelte.

Die, die für mich heute der Optik nach Eltern sein könnten, sind inzwischen längst Großeltern. Ich weiß nicht, woher dieses Missempfinden rührt.

Von meinem inneren Erleben her habe ich das Gefühl, stehen geblieben zu sein. Ich könnte kein Alter nennen, mit dem ich mich gefühlsmäßig identifiziere, doch das geburtspässliche (1969) trifft es keineswegs. Aus meinem eigenen Empfinden heraus fühle ich mich noch zu jung, um – der Verantwortung wegen - überhaupt Kinder in die Welt setzen zu dürfen, während es medizinisch betrachtet (zumindest gesundheitlich unbedenklich) hingegen schon fast zu spät ist.

Ich weiß auch gar nicht, ob ich Kinder will und ob ich – mich selbst oft noch als Kind fühlend - an dieser Lebensaufgabe nicht scheitern würde. Ich brauche sehr viel Zeit für mich, die ich egoistischer Weise auch gar nicht teilen möchte. Ein Kind beansprucht als gedeihendes Wesen unserer Gesellschaft jederzeit unvorhergesehen die Aufmerksamkeit, die man ihm meines Erachtens, wenn man sich mal für ein Kind entschieden hat, auch schenken sollte. Andererseits ist es ja vielleicht auch ganz spannend zuzusehen, wie so ein kleines Geschöpf aus seinem eigenen Fleisch und Blut aufwächst und das Dasein mittels den Lebensstrategien, die man ihm nach besten Wissen und Gewissen zu vermitteln sucht, zu meistern gedenkt.

Trotz aller Spannung und Neugierde ist ein Kind natürlich kein Experiment, das man bei Nichtgefallen oder Überdrüssigkeit wie den Inhalt eines Chemiekastens wieder in die Schachtel zurücklegt.

Heute war übrigens wieder so ein Tag, an dem ich zwei Jungen zu sehen glaubte. Einen älteren mit seinem jüngeren Bruder. Da die Manieren des Älteren zu wünschen übrig ließen, verstärkte sich mein Verdacht, der sich jedoch – nachdem der ca. 7-Jährige sein Pedant als „Papa“ ansprach – ein weiteres Mal als falsch erwies.

Ein ähnliches Phänomen beobachtete ich übrigens auch vor ein paar Jahren, als ich ausnahmsweise mal wieder in einer Diskothek zugegen war, wobei ich mich in jenem Fall nicht als zu jung, sondern gegenteilig als viel zu alt im Vergleich zu denen, die sich dort vor Ort befanden, fühlte. Ich war die, die zu alt war, aber die, die dort waren, schienen mir zu jung, um dort überhaupt sein zu dürfen.

Altert meine (körperliche) Hülle schneller als mein Geist?

Neues Jahr, neues Glück? Es gibt sicherlich niemanden, der das nicht hofft. Entweder weil das zurückliegende Jahr vorteilhaft verlief und man sich einfach die Fortsetzung davon wünscht oder weil der Blick zurück mit vielen Kümmernissen geebnet war.

Ich weiß auch nicht warum, aber zum Jahreswechsel, also vielmehr und einzig dann, wenn die Glocken zu läuten und die Raketen den Himmel zu erleuchten beginnen, vereinnahmt mich jedes Mal diese Melancholie eines komprimierten Augenblicks, der mir binnen weniger Momente wichtige Details und Erlebnisse meines bisherigen Daseins vor Augen führt. Heute Nacht erfasste mich die Gefühlswoge thematisch mit dem Tod meiner Oma. Ich wusste, dass es für sie kein morgen geben wird, auch dass ich sie nicht anrufen kann, um ihr ein frohes, aber vor allen Dingen gesundes, neues Jahr zu wünschen, was mir das Herz zuschnürte, vornehmlich deshalb, weil ich just in diesem Sinnieren zahllose Menschen um mich hatte, die sich gratulierend einander in die Arme fielen. Die Feuerwerkskörper vernebelten indessen die Luft, schwängerten sie mit diesem typischen Geruch abgebrannter Knaller, während der Main - hier verbrachte ich unterhalb der Würzburger Festung die zelebrierende Weile - gemächlich und gänzlich unbeeindruckt seinen Lauf nahm, bevor auch ich mich nach wenigen undefinierbaren Zeiteinheiten wieder gefangen hatte.

Ich kann nicht sagen, was dieses Jahr für mich bereithält. Ich hoffe innigst, dass all die Menschen, die mir lieb sind, gesund und von Bitternissen und Sorgen verschont bleiben, was ich mir natürlich auch für mich wünsche. Darüber hinaus steht aber in Bälde eine existentielle Entscheidung an, auf die ich leider keinen Einfluss habe: die Frage nach meiner Weiterbeschäftigung nach dem Volontariat, das Ende April endet. Diese Ungewissheit ist jene, die mich derzeit am meisten beschäftigt und ängstigt, wobei ich möglicherweise schon diesem Monat eine Antwort darauf erhalte.

Nicht auszudenken, wenn sie mich nicht übernehmen ...

Der gestrige Abend war – schon aufgrund der reduzierten Personenzahl - so trübselig, wie ich es im Vorfeld bereits befürchtet hatte. Als der Pan und ich kamen, war meine Schwester gerade im Aufbruch. Bedingt durch den Umstand, dass ihr knapp 2-jähriger Sohn krank ist, wie leider schon sehr oft in all der zurückliegenden Zeit seines jungen Daseins, kam sie ohne meinen Schwager und – natürlich – ohne Fabio, ihren Sohn.
Wie ich später erfuhr, ist sie seinetwegen in größter Sorge, weil er trotz Medikamente noch nie so leblos im Bett gelegen habe. Selbst zu den Zeiten, als er mit einer schweren Lungenentzündung im Krankenhaus lag, wäre er agiler gewesen. Meine Mutter erzählte auch, dass sie deswegen geweint habe. Verständlich, wenn man die Hintergründ bedenkt:

Ein Kind war ihr großes Ziel. Sie hatte es mit meinem Schwager über mehrere Jahre zu realisieren versucht, was auf natürlichem Wege aber nicht möglich war. Selbst mit medizinischen Mitteln zog sich das Unterfangen sehr lange hin. Als sie dann endlich schwanger wurde, in diesem Zustand auf einer Wolke des Glücks schwebte, verlor sie das Kind. Und diese Tragödie ereignete sich gleich zweimal!

Die Schwangerschaft mit Fabio gestaltete sich auch nicht einfach und erforderte zudem ein mehrwöchiges Liegen im Krankenhaus, was sie aber gerne in Kauf nahm, schließlich war ihr Wunsch nach einem Kind so groß, dass keine Hürde unüberwindbar schien. Bedauerlicherweise haben ihre Sorgen seit seiner Geburt aber kein Ende, da er von Beginn an immer wieder kränkelte, was auch dazu geführt hat, dass sie sich seitdem ein wenig von der Familie zurückgezogen hat, um all ihre Kraft in das Wachsen und Gedeihen ihrer jungen Familie zu stecken, was schon meine Oma bedauerlich fand, da sie gerne mehr an dem Aufwachsen des Kleinen partizipiert hätte, ...

Wie bereits gesagt, meine Schwester war gerade am Gehen. Ich konnte ihr gerade noch zum Geburtstag gratulieren und ihr das Geschenk für Fabio geben.

Mein Opa, der sich für den Abend nun doch angekündigt hatte, war auch nicht mehr da – und es war gerade erst mal 17.30 Uhr! Auch zu diesem Umstand erfuhr ich die Details erst aus Erzählungen der Anwesenden. Mein Onkel, der, der seit dem Tod meiner Oma, seiner Mutter, nicht mehr er selbst ist, sei mit meinem Opa (seinem Vater) da gewesen, hätte aber schnell, noch vor dem Essen, die Lust am Bleiben verloren, weshalb er gesagt habe, dass die beiden nun gehen würden, worauf mein Opa gesagt habe, dass er gerne noch ein bisschen bleiben wolle, was man ihm, der sonst - des lieben Frieden willens - einfach alles mit sich machen lässt, schon hoch anrechnen muss. Er käme dann aber bald nach.

Also zog mein Onkel alleine ab.

Nach 45 Minuten klingelte es an der Tür meiner Eltern. Wenn ich den Worten meines Vaters glauben darf, hatte mein Onkel Schaum vor Mund, als er wutentbrannt in die Wohnung stürzte und zu schreien begann, dass das eine Unverschämtheit sei, was meinem Opa denn einfiele, ihn so lange im Auto warten zu lassen, er solle jetzt gefälligst aufstehen und mitkommen, wobei ich an dieser Stelle erwähnen muss, dass mein Onkel einen eigenen Haustürschlüssel für die Wohnung seines Vaters hat, den er diesmal aber wohl dort liegengelassen hat, was natürlich keiner ahnen konnte. Also zog mein Opa mit ihm, noch bevor gegessen wurde und bevor wir, der Pan und ich, ihn überhaupt zu Gesicht bekamen. Ich war schockiert! Wenn mein Onkel keine Lust auf Gesellschaft hat, hat er natürlich das Recht aufzustehen und zu gehen, aber das gibt ihm doch noch lange nicht das Recht, so meinen Opa zu tyrannisieren.

Klar fuhren der Pan und ich später auch noch mal zu meinem Opa, wo sich auch mein Onkel befand, schließlich wollten wir ihm auch ein Frohes Fest wünschen, auch wenn es das erste Weihnachten ohne seine Frau, meine geliebte Oma, ist. Mein Onkel lag apathisch auf dem Sofa, blickte kaum auf und sprach nichts. Er wirkte, als stünde er unter Drogen. Wir gesellten uns mit meinem Opa in die Küche, der sich, so glaube ich, doch ein bisschen darüber freute (sehr ausdrucksfähig ist er in dieser Hinsicht nicht, aber der Pan meinte es so wahrgenommen zu haben), dass wir ihn aufsuchten. Nach einer nicht allzu lange verbleibenden Weile und dem Versprechen, ihn nächstes Wochenende erneut aufzusuchen, gingen wir wieder zurück zu meinen Eltern, bei denen mittlerweile auch mein Patenkind Alina, die 7-jährige Tochter meines Bruders, mit meiner Schwägerin aufgetaucht ist (im Vorfeld war nur mein Bruder zugegen, da Birgit, seine Frau, natürlich auch mal ihre Eltern, die nur vier Reihenhäuser weiter als meine Eltern wohnen, besuchen wollte).

Alina nahm mich – wie üblich – gänzlich in Beschlag, insofern war dieses Erleben am Weihnachtsabend vertraut, doch es gab kaum Konversationsgemurmel, niemand, der ein Gedicht vorlas und auch keine Weihnachtsmusik, die mein Opa sonst immer aus dem Küchenradio hörte. Das Haus war bisher immer voll, ständig klapperten irgendwelche Türen oder irgendeiner war immer unterwegs und man vernahm Schritte, ein Lachen oder auch sonst etwas, was auf Geselligkeit hindeutete. Mein Vater verkroch sich in den Keller, wo er seinem italienischem Fernsehen frönte. Während ich mich mit Alina in der Küche befand, stritten Birgit und mein Bruder sich in Anwesenheit meiner Mutter und des Pans im gemäßigten Ton darüber, ob mein Bruder sich nun ein Laptop oder Birgit ein neues Schlafzimmer kaufen dürfe, wobei beide kein Verständnis füreinander aufbrachten und meine Mutter und der Pan zu schlichten versuchten. Von friedvoller Stimmung also keine Spur.

Irgendwann verlegte ich dann Alinas und meine Spielstätte ins Wohnzimmer, wo wir gemeinsam Ballett zu tanzen versuchten, was dann zumindest für ein wenig Erheiterung sorgte, wie auch die „Kaugummikau-Führerscheinprüfung“, die ich mit Alina praktizierte.

Festliche Stimmung kam bedrückender Weise nur auf dem Friedhof auf, wo der Pan und ich im Vorfeld – es war bereits dunkel – meine Oma besuchten. Der ganze Friedhof schien ein einziges Lichtermeer zu sein. Teilweise hatten die Hinterbliebenen sogar kleine Weihnachtsbäumchen auf die Gräber mit Lämpchen und Weihnachtskugeln gestellt. Das Grab meiner Oma hatte mein Onkel, dessen einziger Lebensinhalt (und das sage ich nicht vorwurfsvoll, sondern besorgt) nun nur noch in der Grabpflege seiner Mutter zu bestehen scheint, mit Tannenzweigen ausgelegt, auf denen er mehrere Herzen, die die Liebe zu ihr bekunden sollen, platziert. Der Anblick rührte mich zu Tränen, so wie jetzt, wenn meine Gedanken wieder daran zurückgleiten.

Ja, das erste Weihnachten ohne meine Oma, es war schmerzlich, anders, einsamer, einfach herzfröstelnd.

Ab morgen geht es endlich wieder bergauf, zumindest lichtbezogen. Wintersonnenwende lautet das Zauberwort, das die Tage wieder länger und die Nächte wieder kürzer werden lässt, obgleich dieser Prozess sich zunächst nur sehr unmerklich vollzieht: Erst nach zehn Tagen - also bis Neujahr - steigt die Tageslänge bei uns um 5 Minuten, nach einem Monat um rund 40 Minuten, bis schließlich zu Frühlingsbeginn Tag und Nacht gleichlang sind.

Auch wenn sich dieses Ereignis aufgrund seiner periodischen Wiederkehr belanglos lesen mag, für mich südländisch-sensible Klimanixe ist es insofern bedeutsam, als dass ich mich bereits im Winter auf den Sommer, der ab diesem Tag, sprich morgen, beständig lichtintensivierend näher rückt, zu freuen beginne, was aber gleichermaßen im Juni - Sommersonnenwende - für Kümmernis sorgt.

Die Sonne hat heute im Jahresverlauf ihren tiefsten Stand erreicht, soll heißen, dass wir heute den kürzesten Tag des Jahres durchschritten haben, um für die längste Nacht des Jahres, die auch Weihnachten in immer greifbarere Sphären rückt, Platz zu schaffen.

Ja, Weihnachten! Ehrlich gesagt fürchte ich mich davor, schließlich wird es das erste Weihnachten ohne meine geliebte Oma sein, die im August nach kurzem, schweren Leiden viel zu rasch verstarb. All das, was wir an Familientradition über Jahre pflegten, wird dieses Jahr ein trauriges Novum erleben. Selbst mein Onkel, der dieses heilige Fest auch immer mit uns teilte, wird dieses Jahr nicht zugegen sein. Er sprach sich meiner Mutter gegenüber dahingehend aus, dass er sich mit meinem Opa in der eigenen Wohnung verschanzen würde. Ich glaube, ich erwähnte es unlängst: seit dem Tod meiner Oma, seiner Mutter, steht er gänzlich neben sich und ist des Lebens müde. Erst kürzlich hat er sich erneut das Leben zu nehmen versucht. Auch meine Schwester, die am Heilig Abend zudem noch Geburtstag hat, will mit ihrer Familie (meinem lieben Schwager und ihrem knapp 2-jährigem Sohn) erstmalig nur für 30 Minuten bei meinen Eltern vorbeikommen, womit dieser Abend, den ich bisher nur gesellig in Erinnerung habe, einer fremden (personellen) Leere und Stille weichen wird.

Aber vielleicht ist genau diese Stille jene, die ich brauche, um den Geist meiner Oma zu spüren ...

Ich führe schon lange nicht mehr ein Leben, das mir gefällt. Ein rundum Wohlgefühl diesbezüglich gab es in meinem bisherigen Dasein zwar auch nie, aber so dauerhaft unzufrieden, wie ich jetzt schon seit Wochen und Monaten bin, war ich noch niemals zuvor.

Es mangelt mir fortwährend an Zeit!

Ich möchte auch einfach mal absolut nichts tun müssen, um mich in der ödenden Langeweile zu aalen, möchte MICH ins Interesse meiner Lebenszeitgestaltung stellen, keine Rücksicht mehr nehmen müssen, einfach nach dem Lustprinzip handeln, um jenes zum höchsten sittlichen Prinzip für meinen individuellen Glückszustand zu erheben, auch wenn sich diese Zeilen sicherlich sehr egozentrisch lesen, wobei ich mein Handeln natürlich immer noch unter der Prämisse ausüben würde, damit keinem anderen zu schaden.

Ich bin das angepasste Funktionierenmüssen leid. Hat mein Leben nicht mehr zu bieten? Ich möchte diese Hektik nicht mehr, möchte vielmehr wie Sten Nadolnys Protagonist John Franklin in „Die Entdeckung der Langsamkeit“ mit meinem bedächtigen Zeitempfinden existieren dürfen, um das Leben, das neben den physischen Begebenheiten ganz gewiss noch weitere Qualitäten, die irgendwo in mir pulsieren, aufweist, auch wieder wahrzunehmen und zu leben.

Der vierte Tag in Folge, an dem ich über viereinhalb Stunden Schlaf nicht hinaus komme. So allmählich geht mir die Puste aus. Die dunklen Augenringe gleichen inzwischen großen Wagenrädern, aber ich bin ja selbst schuld.

Habe mir diese Woche an jedem Abend einen (Freizeit-)Termin gelegt, was sonst überhaupt nicht meine Art ist. Andererseits waren die Angebote einfach zu verlockend, um sie unbeteiligt an mir vorüberziehen zu lassen. Ich dachte, ich könnte auch mal - wie andere Personen, die ich in meinem Umfeld habe - jeden Abend etwas unternehmen. Bei der Planung dieser Woche hatte ich mir das noch zugetraut, inzwischen hat sich diese Annahme aber nicht bestätigt. Nein, ich muss mir eingestehen, dass ich diese Power nicht habe.

Könnte ich nach der Rückkehr einer Veranstaltung die Nacht noch genüsslich ausklingen lassen, wäre das etwas anderes, aber ich habe es mir vor gut einem Jahr selbst auferlegt, jeden Abend online ein paar wenige, auserlesene Zeitungen des nächsten Tages zu vorzulesen, um auf dem neusten Stand zu sein. Und in diesem Punkt mache ich nun mal keine Ausnahme! Ich will gar nicht erst anfangen, das schleifen zu lassen, denn nur wer am Ball bleibt, hat ein regelmäßig zu lesendes Kontingent. Und das meinige beansprucht schon jetzt Stunden.

Klar geht mir damit auch Lebensqualität verloren, aber ich habe, was Nachrichten betrifft, Zeit meines Lebens alles schleifen lassen, um den obigen Begriff noch einmal mit aufzunehmen. Die Rechnung dafür zahle ich eben jetzt, indem ich mir mühsam alles im Nachhinein anzueignen versuche. Und es ist inzwischen ja auch schon besser geworden. Mittlerweile kann ich schon einige Begriffe aus Wirtschaft und Politik mit Wissen füllen, aber ich muss eben konsequent sein, nur so komme ich meines Erachtens weiter.

Den Termin für das heutige Event – „10 kleine Elvisse“, eine Aufführung im Stadttheater, bei dem sich sogar unsere Bürgermeisterin spielend miteinbringt - habe ich gestern übrigens abgesagt bzw. die Karte wieder zurückgegeben. Der Schlafmangel macht sich mittlerweile wirklich spürbar bemerkbar. Ich brauche diese Ruhephase, denn schließlich wartet morgen ja auch schon wieder die nächste Veranstaltung.

Nachdem mein Chef mir bezüglich meiner beruflichen Zukunft keine Aussage machen konnte, zumindest nicht vor Januar, und ich am vorletzten Wochenende eine möglicherweise für mich in Frage kommende Stellenanzeige in unserer Tageszeitung las, habe ich mich dazu entschlossen, mich auf jene zu bewerben.

Geschlagene drei Stunden habe ich mich gestern damit gequält, eine passable Formulierung für die Bewerbung zu erarbeiten und die nötigen Unterlagen zusammen zu suchen. Nun liegt sie vor mir. Ich weiß nicht warum, aber ich bin unsicher. Eigentlich würde ich ja gerne in unserem Verlag bleiben, auch wenn dort nicht immer alles rosig ist, aber wo ist das schon? Andererseits kann ich doch nicht alle Energien auf Hoffnung setzten, auch wenn jene sprichwörtlich zuletzt stirbt. Vielleicht ist es ja auch ganz gut, mal seinen Marktwert zu testen und, sollte es tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch kommen, zu sehen, soweit das ein Vorstellungsgespräch eben zulässt, wie es woanders sein könnte.

Ich glaube, ich tüte die Bewerbung jetzt ein ...

Ich hatte Recht. Sie sprach mich auch sofort darauf an, was ich übrigens sehr löblich finde. Die Therapeutin ist diejenige, die Tuberkulose hat(te).

Sie hat sie zwar noch immer, ist aber inzwischen "vom Gesundheitsamt freigegeben", wie sie selbst sagte.

Sie erzählte mir, dass sie über Monate falsch behandelt wurde, sehr viel Antibiotika geschluckt hatte, weil die Ärzte meinten, dass sie eine Bronchitis habe. Verübelt hat sie ihnen das aber nicht, schließlich ist Tuberkulose eine sehr seltene Krankheit.

Nur zur Erläuterung: Als ich gestern mit der Frau vom Gesundheitsamt telefonierte, fragte ich aus Interesse auch noch danach, wie viele Fälle im Jahr in Würzburg gemeldet würden, worauf sie erwiderte, dass das im Schnitt so zehn bis fünfzehn seien, vornehmlich aber Ausländern (ich erwähne das wertfrei), da sie die Tuberkulose von ihrem Heimatland miteinschleppen würden.

 

twoday.net AGB

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